Die geopolitische Weltkarte hat Risse bekommen. Spätestens seit der Gewissheit einer zweiten Amtszeit Trumps und dem wackelnden Data Privacy Framework herrscht in der medialen Berichterstattung regelmäßig Hysterie und in deutschen Führungsetagen Unruhe. Doch Vorsicht: Wer emotional getrieben heute vorschnell agiert, riskiert den praktischen Anschluss an die Zukunft! Es ist an der Zeit, die Diskussion nun nüchtern und sachlich zu führen.
Exit US-Hyperscaler ?!
Das deutsche Cloud-Paradoxon: Unabhängigkeit wollen, Innovation brauchen
Wir beobachten im Markt ein Phänomen, das wir als „deutsches Cloud-Paradoxon“ bezeichnen. Eine Bitkom-Studie aus dem Jahr 2025 bringt es auf den Punkt: 78 % der Unternehmen halten Deutschland für zu abhängig von US-Anbietern. Der Wunsch nach europäischen Alternativen ist riesig. Doch dieselbe Studie zeigt die nüchterne Realität: 88 % der Unternehmen sind nicht bereit, auf Innovationen bei ihrem Technologie-Partner zu warten, nur weil ein europäischer Anbieter sie noch nicht liefern kann.
Hier kollidiert Wunschdenken mit ökonomischer Notwendigkeit. Es ist gut und wichtig, dass Europa aufholt. Anbieter wie OVHcloud investieren jährlich hunderte Millionen Euro – das schafft valide Lösungen für spezifische Use-Cases, die wir heute schon sinnvoll einsetzen können. Aber wir müssen die Maßstäbe wahren: AWS investiert bspw. global jährlich ca. 93 Milliarden Euro. Das ist ein Klassenunterschied, der faktisch die Unterschiede zwischen US-Hyperscalern und den EU-Alternativen in Anzahl und Qualität der Services sowie der grundlegenden Innovationsgeschwindigkeit der Anbieter erklärt.
Datenschutz und Cloud geht auch ohne souveräne Cloud
Es bleibt trotzdem Unsicherheit. Neben eher theoretischen Risiken wie einem Abschalten der Cloud, liegen die realen Risiken eher im ungewollten Datenzugriff sowie technologischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit.
Hier bieten die EU-Anbieter vermeintlich einfache Lösungen. Doch ein aktuelles Gerichtsurteil aus Kanada zeigt ein anderes Bild. So wurde mit diesem Urteil die französische OVHcloud aufgefordert, Kundendaten an kanadische Behörden zu übergeben. Ein Ergebnis steht noch nicht fest, die Situation zeigt aber, dass international agierende Anbieter aus der EU die gleichen Herausforderungen haben, wie US-Hyperscaler selbst.
Die gute Nachricht ist: Diese Risiken lassen sich managen, ohne sich in eine digitale Wagenburg zurückzuziehen. Datenschutz ist inzwischen primär ein technologisches und kein juristisches Problem mehr. Moderne Verschlüsselungslösungen schützen Daten nicht mehr nur „at rest“ oder „in transit“, sondern durch Confidential Computing auch „in use“ – also während der Verarbeitung. Kombiniert mit externem Schlüsselmanagement, bei dem der Hyperscaler technisch keinen Zugriff auf den Schlüssel hat, lässt sich häufig ein DSGVO-konformes Datenschutz-Niveau auch auf US-Plattformen erreichen. Dies gilt auch für besonders schützenswerte Daten und zeigt, warum viele Banken und Versicherungen unter Beobachtung der BaFin mit allen Daten in die Cloud gehen können.
Die Falle der „Smart-Cloud“ und der teure Eigenbau
In der Theorie klingt die Lösung oft einfach: „Wir machen Hybrid- oder Multi-Cloud“. Wir nennen das die „Smart Cloud“-Falle. Die Komplexität, mehrere Hyperscaler in der Tiefe zu beherrschen, überfordert die meisten IT-Abteilungen massiv und senkt schlimmstenfalls das Sicherheitsniveau insgesamt. Hier ist ein realistischer Check der eigenen Fähigkeiten und Kapazität unabdingbar.
Noch risikoreicher ist für viele der Weg des Eigenbaus. Wer bspw. versucht einen durch den Hyperscaler bereitgestellten Container-Dienst durch eigene Kubernetes-Plattform zu ersetzen (bzw. nachzubauen), nur um den Vendor-Lock-in zu vermeiden, zahlt oftmals einen hohen Preis: Die Realität zeigt, Projektaufwände explodieren und die Zeit bis zur Nutzung braucht oftmals Jahre. Sie tauschen die Bindung an einen Anbieter gegen die Fessel der eigenen, oft schwerfälligen Entwicklung und des aufwendigen Betriebes. Das ist dann manchmal schon souveräne Selbstblockade.
Wir müssen uns ehrlich machen: Es gibt keinen „Free Lunch“! Wenn wir Geschwindigkeit und Innovationskraft als Ziel haben, überwiegen häufig die Vorteile des Hyperscalers den potenziellen Risiken eines Exits. Wichtig ist, dies sollte eine kalkulierte und bewusste Entscheidung sein und ersetzt nicht, trotzdem einen realistischen “Plan-B” zu haben.
Fazit: Ohne US-Hyperscaler keine KI-Transformation
Für die meisten Unternehmen führt zur Erreichung ihrer Innovationsziele – und insbesondere für die schnelle Adaption von AI – in absehbarer Zeit kein Weg an den US-Hyperscalern vorbei. Trotzdem bleiben viele der Risiken real und können nicht ignoriert werden.
Ein eleganter Zwischenweg wird für viele das kommende Angebot an souveränen Lösungen der US-Anbieter. AWS eröffnet bspw. Ende 2025 die AWS European Sovereign Cloud in Brandenburg. Diese mit dem BSI entwickelte Lösung schützt selbst vor politischen Risiken, Störungen der Unterseekabel und scheint eine echte souveräne Cloud, mit der vollen Power des US-Hyperscalers zu sein.
Es bleibt die Erkenntnis, niemand muss auf die Vorteile der US-Hyperscaler verzichten. Die Frage ist nicht, ob ich mit allen Daten gewissenhaft in die US-Cloud kann, sondern wie.
Wie genau dieses “wie” aussieht, könnt ihr gerne mit uns zusammen erarbeiten.